Jüdisches Leben ist keine Provokation - Kundgebung in Berlin-Neukölln am 25.7.21

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Jüdisches Leben ist keine Provokation - Zur Kundgebung gegen Antisemitismus in Neukölln am 25. Juli 2021

“Provozieren wir damit, wenn wir am Helmholtz-Platz eine Kippa tragen? Oder wenn an der Warschauer Brücke Ivrit gesprochen wird?” Mit diesen und weiteren rhetorischen Fragen eröffnete der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount A. Königsberg, seine Rede auf der Kundgebung “Jüdisches Leben ist keine Provokation” am 25. Juli 2021 in Berlin-Neukölln. Damit bezog er sich auf eine Medien-Aussage, der zufolge es klüger sei, sein Judentum zu verstecken, um Extremisten nicht herauszufordern. Das erinnerte ihn an Zeiten, so Königsberg weiter, in denen man Vergewaltigungsopfern eine Mitschuld an den Verbrechen gab, die an ihnen begangenen wurden, weil sie angeblich die falsche Kleidung getragen hätten.

So schockierend dieser Vergleich erscheinen mag, so gravierend bringt er jedoch das Problem zum Ausdruck, mit dem sich Jüdinnen und Juden in Berlin, insbesondere im Stadtteil Neukölln, konfrontiert sehen. Bereits das Tragen eines Davidstern-Anhängers kann hier bedeuten, auf offener Straße beschimpft oder bedroht zu werden.

Um mit aller Deutlichkeit auf diesen eklatanten Missstand hinzuweisen sowie um ein Zeichen gegen jede Form von Antisemitismus in Neukölln und darüber hinaus zu setzen, formierte sich das Bündnis gegen Antisemitismus Neukölln und rief zu der gemeinsamen Kundgebung am Rathaus Neukölln auf.

Das Bündnis setzt sich aus Vertreter:innen des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), dem Mideast Freedom Forum Berlin und der Neuköllner Initiative Ehrlos Statt Wehrlos zusammen. Zu den zentralen Forderungen des Bündnisses gehören das konsequente Bestrafen jeglicher Form von Antisemitismus als Hassverbrechen, die gezielte Schulung von Polizei und Justiz auf Basis der IHRA-Definition von Antisemitismus, das Verbot von Veranstaltungen und Demonstrationen, auf denen Judenhass verbalisiert wird, die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten für Neukölln sowie die Förderung von Bildungsmaßnahmen zur Prävention und Aufklärung auch innerhalb islamischer Einrichtungen und Verbände.

Diese Forderungen wurden von den anwesenden Redner:innen unterstützt, die deutlich machten, dass eine Demokratie, in der Antisemitismus - ganz gleich ob aus der extremen Rechten, dem Islamismus, der Mitte der Gesellschaft oder der Linken kommend - nicht adäquat verfolgt und bestraft wird, ein reines Lippenbekenntnis sei. Vielmehr müsse man mit Unverständnis feststellen, dass beispielsweise Institutionen, die islamistischen Terrororganisationen nahestehen, nach wie vor durch die Vergabe öffentlicher Fördergelder unterstützt würden und Eingang in Bildungsnetzwerke fänden. Auch die mangelnde korrekte Einordnung antisemitischer Straftaten, die immer dann zu beobachten sei, wenn solche Vorfälle nicht auf ausgewiesene Neonazis zurückzuführen sind, trügen zu der Problematik bei.

Dabei sind die Nachverfolgung und Ahndung solcher antisemitischen Straftaten, die nicht explizit von Vertreter:innen der rechtsextremen Szene ausgeführt werden, ebenso wichtig. Denn welchen Einfluss antisemitische Ideologeme und Topoi beispielsweise auch innerhalb migrantischer und linker antiisraelischer Communities haben, zeigten zuletzt die eskalierte Demonstration gegen Israel am Neuköllner Hermannplatz am 15. Mai sowie die Internationalistische Queer Pride, eine Gegenveranstaltung zu anderen Demonstrationen des Christopher Street Days, am 24. Juli in Kreuzberg und Neukölln (siehe die Beiträge des JFDA zum 15. Mai und zum 24. Juli).

Vor allem in Zusammenhang mit dem Staat Israel und dem Nahost-Konflikt entflammten in Deutschland immer wieder antisemitische Ressentiments und Judenhass, wie André Wartmann betonte, der für Lichtenberg der erste Antisemitismusbeauftragte eines Berliner Stadtteils ist. Er hob außerdem die Zahl steigender antisemitischer Vorfälle hervor, die in Berlin mit über 1000 für das Jahr 2020 dokumentiert ist (siehe dazu den Jahresbericht 2020 von RIAS). Israels Politik bzw. die Kritik an dieser sei keine Rechtfertigung dafür, dass in Deutschland holocaustrelativierende NS-Vergleiche in Bezug auf Israel gemacht oder vor deutschen Synagogen “Scheiß Juden!” gerufen werde, so Wartmann weiter...

Den vollständigen Bericht finden Sie auf der Webseite des JFDA:
https://www.jfda.de/post/jüdisches-leben-ist-keine-provokation-zur-kundgebung-gegen-antisemitismus-in-neukölln-am-25-juli
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